Das Vierkanterland
Verbreitungsgebiet
Die mächtigen Vierkanter
Zwischen Steyr, Enns, Wels und Linz, im oberösterreichischen
Städteviereck, das immer mehr zu einer großen urbanen Agglomeration
zusammen zu wachsen beginnt, breitet sich eine der eindrucksvollsten
Bauernlandschaften Österreichs, ja Europas aus: das Viertel der
Vierkanter. Im Osten ragt das Vierkantergebiet über Amstetten hinaus
bis Melk tief ins niederösterreichische Viertel ober dem Wienerwald
hinein - das eigentliche Mostviertel - im Norden reicht es über die
Donau hinüber weit in das Mühlviertel bis in den Raum von Kefermarkt
und Königswiesen hinauf ...
Verbreitung der Vierkanter
Das Verbreitungsgebiet der Vierkanter in Oberösterreich erstreckt sich
über 11 politische Bezirke mit insgesamt 185 Gemeinden, in denen
Vierkanthöfe vorkommen. In Summe wurden um 1980 dort 9624 Vierkanter
erfasst. 39 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe über 2 ha in
diesen 11 Bezirken waren Vierkanter: mit dem dichtesten Bestand in den
Bezirken Linz-Land, Steyr-Land, Kirchdorf und Wels-Land, wo der Anteil
jeweils bei etwa 60 Prozent oder darüber lag. Deutlich geringer war
der Anteil bereits in den Bezirken Gmunden, Perg, Urfahr, Eferding,
Freistadt, unter 10 Prozent bereits in den Bezirken Grieskirchen und
Vöcklabruck.
Das Ende der Vierkanter - Herausforderung für Denkmalschützer?
Die Vierkanter sind viel gelobt, aber auch immer wieder kritisiert worden: Bereits im Jahr 1887 veranstaltete die k.k. oberösterreichische Landwirtschaftsgesellschaft einen Architektenwettbewerb über moderne Bauernhäuser. Die Kritik galt dem Vierkanter, weil er feuergefährlich und „unschön“ sei. Ferner sah man überdurchschnittlich viel Kapital gebunden.
Markenzeichen der LEADER-Regionen
Markenzeichen der Region
Die vollkommene Gehöftform
Rudolf Heckl sah das Charakteristische der Vierkanter in der
"burgähnlichen“ und „kristallisch vollendeten“ Form, als Ergebnis eines
bäuerlichen Strebens, den Hof als Einheit zu präsentieren und „Wohnhaus,
Stall, Stadl und Schuppen nicht mehr getrennt in Erscheinung treten“ zu
lassen. Heckl schwärmte für den Vierkanter: „Er ist eine der
vollkommensten Gehöftformen der Welt und hat, um so vollkommen zu
werden, mindestens 600 Jahre gebraucht. Aus einem Streuhof entstanden,
ist er heute technisch gesehen nichts anderes als ein großes Einhaus,
das im Ring herumgebogen wird, sodass alle Wege möglichst rationell und
kurz werden...er ist die charakteristischste Bauform unseres
Heimatlandes, die nicht mehr vervollkommnet, sondern nur mehr aufgelöst
werden kann.“
Bei diesem Lob ist einerseits die
Entwicklungsgeschichte historisch zu romantisch bis ins Mittelalter
ausgedehnt, andererseits die technische Funktionalität des ganzen zu
statisch auf das frühe 20. Jahrhundert projiziert.
Bauernadel, Bauernkapitalisten, Herrenbauern…
Die Vierkantbauern gehörten, könnte man sagen, zum Bauernadel, waren
vielleicht auch Bauernkapitalisten, und sicher Herrenbauern. Es sind
immer wieder die gleichen Namen, die in den Besitzgeschichten
aufscheinen, und es ist ein Netz von Heiraten, Erbschaften, Adoptionen,
Kaufverträgen, das die einzelnen Höfe verbindet und charakterisiert.
Allerdings, die Vierkanterlandschaft ist keine typische
„Erbhoflandschaft“ im Wortsinn. Man trifft kaum auf Jahrhunderte
übergreifende Vererbungen in männlicher Linie. Erbhöfe im Sinne langer
familiärer Kontinuitäten im Mannesstamme sind in der Vierkanterregion
selten. In der Liste der 241 „Erbhof“ - Titelverleihungen der Ersten
Republik vor dem „Anschluss“ an das Dritte Reich finden sich nur drei
Höfe, die dem oberösterreichischen Zentralraum zuzurechnen sind. Die
Höfe wurden verkauft, vertauscht, durch Adoption übergeben, vererbt,
und immer wieder trifft man auf Töchter, die die Höfe übernommen haben
oder mit in die Ehe nahmen. Die Übergabe- und Ausgedingeverträge, die
in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts abgeschlossen wurden, sind
wahre Kunstwerke notarieller Genauigkeit und Spitzfindigkeit. Vergessen
wurde wirklich nichts, was für die Sicherung des Altenteils der
Übergeber von Belang sein konnte. Aber sehr häufig wurden die Höfe auch
zur Alterssicherung an die Übernehmer oder an neue Besitzer verkauft,
und die Altenteiler zogen sich mit ihrem Kapital in Stadtwohnungen
zurück.
"Hörndl"- und "Körndl"-Bauern
Die Vierkanthofbauern waren „Hörndl“- und „Körndl“ - Bauern. Gewölbte,
geräumige Ställe waren der Stolz dieser Höfe. Bei den Vierkantern fiel
vor allem die Größe der Pferdeställe im Verhältnis zu den Rinderställen
auf, etwa im Verhältnis zwei zu eins: auf zwölf Rinder kamen sechs
Pferde. Man differenzierte die Betriebsgrößen nach Pferden: Häusler
(circa 1 Joch land- und forstwirtschaftliche Nutzfläche), Söllner
(zwischen 1 und 15 Joch), Zweirössler oder Halbbauern (15 bis 30 Joch),
Vierrössler oder Ganzbauern (30 bis 55 Joch), Sechsrössler (55 bis 90
Joch). Darüber hinaus gab es auch Achtrössler und Zehnrössler. Bis zum
Einsetzen der Dampfschifffahrt auf der Donau wurden in dieser Region
auch die schweren Schiffszugpferde groß gefüttert. Der Bauforscher
Rudolf Heckl verwies in seinen Planaufnahmen und Bauvorschlägen immer
auf die geräumigen Keller zur Einlagerung des Obstmostes, des
Sauerkrautes, der Kartoffeln, des Gemüses und der Milch.
Oberhalb des Mostkellers sei „das Presshaus angebracht, in dessen Mitte
der so genannte Rosswalzel, eine mühlsteinähnliche Scheibe von 1 ½
Meter im Durchmesser steht, welche durch ein Pferd in Bewegung gesetzt,
zum Zermalmen des Obstes verwendet wird.“ Diese Häuser hat der Most
gebaut, sagte man. 1930 zählte man im Bezirk Linz-Land ca. 190.000
Apfelbäume und 150.000 Birnenbäume; seit den 1950er Jahren erst folgte
der rasche Rückgang der Obstmostbereitung. Manche Betriebe erzeugten
in guten Jahren 200 bis 300 hl Most: Birnen-, Apfel- und Mischlingsmost.
„A Mosthaus – a guats Haus“, hieß es bei den Dienstboten. Es war
ein komplexes Netzwerk, das die Vierkanterlandschaft charakterisierte:
Etwa 50 Prozent der Besitzstände in der Florianer Gegend um 1860 waren
Häusler, die weniger als 0,5 ha bewirtschafteten. Diese Häusler deckten
den Bedarf der großen Bauern an Taglöhnern. Sie erhielten im Gegenzug
dafür Zugleistungen, kleine Flächen zur Bewirtschaftung (Laßäcker) und
Viehfutter. Die Besitzflächen, die Pferdenutzung und der Bedarf an
Dienstboten, Taglöhnern und Saisonarbeitern standen in einem
wechselseitigen Konnex.
Bäuerliche Wirtschaftsformen und Arbeitskräfte in der Gegend von St. Florian um 1860
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Fläche (Joch) | Betriebe | Pferde | Dienstboten | Taglöhner | Saisonarbeiter |
| Häusler | 1 | 225 | 0 | 0 | 0 | 0 |
| Söllner | 1 - 15 | 56 | 0 | 1 | 0,09 | 0,09 |
| Halbbauern | 15 - 30 | 60 | 2 | 3 | 0,8 | 1,17 |
| Ganzbauern | 30 - 55 | 71 | 4 | 4 | 3 | 1,5 |
| Großbauern | 55 - 90 | 34 | 6 | 5 | 3,5 | 2,25 |
| Maierhöfe | 90 - 180 | 2 | 8 - 10 | 6 - 7 | 5 -7,5 | 3,5 - 4,5 |
Quelle: Joseph Roman Lorenz v. Liburnau,
Statistik der Bodenproduktion von zwei Gebietsabschnitten
Oberösterreichs. St. Florian und Grünburg, Wien 1867, 87 ff. Eigene
Umrechnungen und Auswertungen.